Reden im Plenum

Wir brauchen eine europäische Arzneimittelproduktion

Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 21– Stärkung der Rahmenbedingungen für eine resiliente Arzneimittelversorgung in Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir über die Thematik Arzneimittel – Medikamente – sprechen, dann sind dabei aktuell zwei Herausforderungen, die besonders relevant sind:

Die erste: Wie schaffen wir es eigentlich, bei einem steigenden Medikationsbedarf – weil die Gesellschaft eben immer älter wird und chronische Erkrankungen sowie deren Therapie zunehmen – diese steigende Anzahl an Medikamenten flächendeckend und möglichst niedrigschwellig unter die Bevölkerung zu bringen? Das Apothekensterben ist trotz verschiedener Maßnahmen der letzten Jahre weiterhin real. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Online-Apotheke schon alles regeln wird. Denn neben der Ausgabe von Medikamenten spielen die Vor-Ort-Apotheken gemeinsam mit den Arztpraxen das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung.

Und die zweite: Wie schaffen wir es, den geopolitischen Herausforderungen und dem Kampf um Lieferketten und Produktionssouveränität standzuhalten? Wenn die Vor-Ort-Apotheke nur noch dazu da ist, den Patientinnen und Patienten mitzuteilen, dass ihr Medikament wieder nicht lieferbar ist, dann ist niemandem geholfen. Es könnte sogar noch schlimmer kommen. Gerade jetzt – mit Blick auf militärische Spannungen und sicherheitspolitische Herausforderungen – stellen sich lange bekannte Probleme in einem neuen, bedrohlicheren Licht dar. Die fatale Abhängigkeit von russischem Gas hat uns eindrucksvoll gezeigt, wie schnell strategische Abhängigkeiten zur Schwachstelle werden.

Wenn uns also daran gelegen ist, das Gesundheitssystem nicht nur effizient, sondern auch krisenfest und souverän zu gestalten, dann müssen wir unsere Arzneimittelversorgung grundlegend stärken – national und europäisch.

Dazu braucht es nun schnelle, konkrete und zielgerichtete Maßnahmen:
Wir wollen, dass das Bundesgesundheitsministerium federführend den Pharmadialog wieder aufnimmt. Nicht nur als reinen Austausch, sondern als Taktgeber für strukturelle Lösungen – gemeinsam mit Ländern, Herstellern, Forschung und Versorgung.

Wir fordern eine neue europäische Arzneimittelpolitik, die sich nicht auf den globalen Markt verlässt, sondern bewusst in europäische Produktionskapazitäten investiert. Denn nur so gewinnen wir echte Souveränität bei lebenswichtigen Medikamenten – von Antibiotika bis Krebstherapien.

Außerdem braucht es eine Stärkung der Forschung: Patientenzentriert, geschlechter- und altersgerecht. Die Harmonisierung von Regularien auf EU-Ebene kann dazu beitragen, dass neue Therapien schneller, sicherer und gezielter entwickelt werden.

Und wir schauen auch auf die Apotheken – weil sie unverzichtbar sind. Das Honorar der Apotheken muss angepasst werden, Nullretaxationen dürfen nur in gravierenden Fällen zulässig sein, und wir brauchen Mechanismen, um bei Lieferengpässen schneller zu reagieren. Apothekerinnen und Apotheker sollen in der Lage sein, in Rücksprache mit Ärztinnen und Ärzten gleichwertige Alternativen abzugeben. Nicht irgendwann – sondern jetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch wir in Schleswig-Holstein sollten uns den Chancen widmen, die ein Ausbau der Arzneimittelproduktion auch für den Standort Schleswig-Holstein haben kann. Wir haben mit dem LifeScience Cluster, mit hervorragenden Ausbildungsbedingungen in den Molecular LifeSciences, der Medizin, guten Forschungsbedingungen auch durch unser UKSH und die Erneuerbare Energien wirklich gute Voraussetzungen für die Arzneimittelproduktion und die Anforderungen an die moderne, individualisierte Medizin der Gegenwart und Zukunft.

Wir setzen hierbei auf einen guten Dialog zwischen der EU, Bund, Ländern und den Unternehmen, eine konkrete Umsetzung der nationalen Pharmastrategie und eine verlässlichere Versorgung für die gesamte Bevölkerung.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!