Reden im Plenum

Senior*innenpolitik partizipativ und präventiv denken

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir reden heute über ein Thema, das oft mit Krankheit, Ruhestand und Pflegeeinrichtungen assoziiert wird – aber in Wahrheit geht es um viel mehr. Es geht um Teilhabe, um Gesundheit, um Lebensfreude. Es geht um Menschen, die unser Land über Jahrzehnte geprägt haben und auch im Alter ein Recht darauf haben, gehört, eingebunden und gut begleitet zu werden.

Und es geht um uns alle. Denn alt werden – das wollen wir doch. Aber alt sein soll dann bitte auch lebenswert sein.

Die gesellschaftlichen Herausforderungen sind dabei komplex – das wissen wir. Immer mehr Menschen leben allein, familiäre Strukturen verändern sich, digitale Entwicklungen schreiten rasant voran, und die medizinischen wie sozialen Bedarfe steigen. Aber: Schleswig-Holstein hat bereits viele gute Angebote. Und genau darum muss es gehen, dass diese Angebote noch besser aufeinander abgestimmt, weiterentwickelt und gezielter erreichbar werden.

Ein großes Thema, das uns alle umtreibt – und das vielen älteren Menschen wortwörtlich die Lebensqualität nimmt – ist Einsamkeit.

Einsamkeit ist nicht immer sichtbar. Sie steht in keiner Akte, taucht in keiner Statistik auf – aber sie hat Folgen. Wer keine regelmäßigen Kontakte mehr hat, kein Gespräch, keine Einladung zum Kaffee, verliert irgendwann das Gefühl, gebraucht zu werden. Und das ist Gift – für die Psyche, aber auch für die körperliche Gesundheit. Studien zeigen, dass Einsamkeit ähnlich schädlich sein kann wie chronische Krankheiten.

Deshalb fördern wir in Schleswig-Holstein bereits viele Initiativen: Dorfkümmer:innen, Mehrgenerationenhäuser, Seniortrainer-Teams oder Projekte wie „Von Minsch to Minsch“. Sie leisten wertvolle Arbeit vor Ort, bringen Menschen zusammen, schaffen Gemeinschaft. Das müssen wir ausbauen – nicht als Geste, sondern als gesellschaftliche Notwendigkeit.

Und damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt: Das Ehrenamt.

Gerade im Alter ist das Bedürfnis groß, etwas zurückzugeben, sich einzubringen, Wissen weiterzugeben. Viele ältere Menschen wollen aktiv bleiben – sei es in Nachbarschaftshilfen, Vereinen, in der Kommunalpolitik oder bei der Betreuung von Enkelkindern. Diese Bereitschaft ist ein riesiger Schatz für unsere Gesellschaft. Aber damit das funktioniert, braucht es einfache Wege, passende Angebote und Anerkennung – nicht bloß Dankesworte, sondern konkrete Unterstützung.

Ein weiteres Thema, das nicht nur uns als Gesundheitspolitiker:innen beschäftigt, ist die Frage: Wie kann gesundes Altern gelingen?

Gesund alt werden – das bedeutet eben nicht nur gute ärztliche Versorgung oder Pflege im Ernstfall. Es bedeutet auch, frühzeitig in Bewegung, Ernährung, soziale Teilhabe und mentale Gesundheit zu investieren. Und zwar nicht erst ab 70. Wir müssen Prävention altersgerecht denken – und das heißt: auch mit Blick auf Barrierefreiheit, Sprache, Lebensrealitäten. Und mit Blick auf ländliche Räume, wo Zugänge oft fehlen.

In diesem Zusammenhang dürfen wir die Digitalisierung nicht vergessen. Viele alltägliche Dinge laufen inzwischen digital – Arzttermine, Bankgeschäfte, Kommunikation mit Behörden oder der Familie. Doch gerade viele Ältere fühlen sich hier abgehängt. Nicht, weil sie nicht wollen – sondern weil sie nicht wissen, wie. Hier setzen tolle Projekte wie die „Digitalen Gesandten“ an – Menschen, die Ältere in ihrem Tempo begleiten und ihnen helfen, Schritt für Schritt Anschluss zu finden. Genau solche Ansätze brauchen wir mehr – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Empathie und Respekt.

Und dann gibt es noch einen Punkt, der mir, auch als jüngstem Landtagsabgeordneten, besonders wichtig ist: der Dialog der Generationen.

Es braucht Räume, in denen Alt und Jung sich begegnen. Wo Verständnis füreinander wächst. Wo Erfahrungen geteilt, Fragen gestellt und Perspektiven gewechselt werden können. Das ist keine romantische Vorstellung, sondern ein zentraler Baustein für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Denn der Generationenvertrag ist keine Einbahnstraße. Wir müssen ihn neu denken – als etwas Gegenseitiges. Als ein „Ich sehe dich“ – über Altersgrenzen hinweg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es geht nicht darum, das Leben älterer Menschen zu organisieren. Es geht darum, ihnen Möglichkeiten zu geben: zum Mitgestalten, zum Teilhaben, zum Sich-wiederfinden in einer Gesellschaft, die sich schnell verändert.

Genau das muss das Ziel für Schleswig-Holstein sein und genau das wollen wir anstoßen – mit dem Blick auf die Praxis, auf das, was da ist, und auf das, was noch besser werden kann. Für ein gutes Leben im Alter – in Gemeinschaft, in Bewegung und in Würde.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!