Parteiantrag

Sichtbarkeit und Versorgung für Betroffene von Long-/Post-Covid und ME/CFS


Der Landesverband von B´90/Die Grünen Schleswig-Holstein setzt sich für die 
Interessen der Betroffenen, sowie deren An- und Zugehörigen von Long-/Post-
Covid, ME/CFS
 und anderen postakuten Infektionssyndromen ein.

Zwar wurden in den letzten Jahren bereits wichtige Maßnahmen ergriffen, um die 
Anerkennung und Versorgung der Betroffenen zu verbessern, dennoch ist die 
Versorgungslage weiterhin in Teilen prekär.

Ziel muss deshalb die spezifische und schnelle Unterstützung von Betroffenen mit 
passender medizinischer Versorgung, sowie die Sicherstellung von Teilhabe am 
gesellschaftlichen Miteinander sein.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer stärkeren gesellschaftlichen Aufklärung 
und Sichtbarkeit
 für die Lebensrealitäten der Betroffenen.

Der Landesverband Schleswig-Holstein setzt sich auf Bundes-, Landes- und 
kommunaler Ebene für folgende Punkte ein:

  1. Aufklärungskampagne und Sensibilisierung von Gesellschaft für Ausmaß und 
    Umgang mit Long-/Post-Covid, ME/CFS

    Trotz hoher Fallzahlen fehlt es in der breiten Öffentlichkeit an 
    Bewusstsein für das Ausmaß der Schwere der Erkrankungen. Betroffenen fehlt 
    deshalb selbst die Orientierung und viele erleben Unverständnis oder sogar 
    Verharmlosung ihrer Symptome. Aufgrund der immer weiter steigenden 
    Fallzahlen braucht es deshalb eine umfassende Aufklärungskampagne über 
    Krankheitsbilder, deren Symptome, Folgen und gesundheitliche 
    Präventionsmaßnahmen.
  1. Fortbildung für Fachpersonal im Gesundheitswesen
    Obwohl ME/CFS bereits seit 1969 als neurologische Krankheit eingestuft und 
    Long-/Post-Covid nach 10% aller Covid-19-Erkrankungen auftritt, sind 
    Wissensdefizite in der medizinischen Praxis eklatant. Viele Betroffene 
    leiden unter Stigmatisierung und werden psychologisiert. Für die teils 
    schwierige Diagnose braucht es geschultes Fachpersonal, das über die sich 
    ständig anpassende Forschungslage informiert ist und die Betroffenen 
    korrekt versorgen oder an die richtigen Stellen verweisen kann.
  1. Forschungsprogramme vorantreiben und ausweiten
    Bis heute sind zentrale Fragen über Krankheitsursachen, spezifische 
    Biomarker und adäquate medizinische Therapien unklar. Eine breite 
    Datengrundlage und umfangreiche Forschungsprojekte sind notwendig, um so 
    schnell wie möglich evidenzbasierte Therapiekonzepte anbieten zu können.
  1. (Regionale) Versorgungsverbünde bilden und Versorgungsangebote schaffen
    Aktuell klafft eine Lücke zwischen der Zahl der Betroffenen und den 
    vorhandenen Versorgungsangeboten. Während es an manchen Stellen hoch 
    spezialisierte Versorgungszentren (wie das Charité Fatigue Centrum in 
    Berlin oder die Long-Covid Ambulanzen des UKSH in Kiel und Lübeck) 
    braucht, bedarf es in der Fläche an Netzwerken und Anlaufstellen, um 
    Betroffene vor Ort aufzufangen. Obwohl erfolgreiche und umfassende 
    Studienergebnisse und medizinische Therapiekonzepte bislang noch zu keiner 
    abschließenden Heilung der Erkrankungen führen, gibt es schon jetzt 
    Möglichkeiten der medizinischen Unterstützung. Die G-BA (Gemeinsamer 
    Bundesausschuss) Richtlinie „LongCOV-RL“ aus dem Jahr 2024 muss dafür 
    konsequent umgesetzt werden, hierbei ist auch die kommunale Ebene gefragt.
  1. Betroffene Kinder und Jugendliche, sowie deren Eltern unterstützen
    Gerade hier gilt wie so oft: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! 
    Betroffene Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Teilhabe am sozialen 
    Leben und dem Bildungssystem. Es braucht flexible Modelle an Schulen und 
    KiTas, sowie kindgerechte medizinische Versorgungsangebote. Eltern, sowie 
    weitere An- und Zugehörige brauchen dabei Hilfe. Deshalb braucht es 
    vermehrte Unterstützungsangebote durch Selbsthilfegruppen, Verbände und 
    Initiativen. Diese müssen in ihrer Arbeit gefördert werden.

Grundsatz unseres politischen Handelns ist es, denjenigen eine Stimme zu geben, 
die sie selbst nicht lautstark erheben können. Die Betroffenen von Long/Post-
Covid und ME/CFS brauchen Unterstützung und haben Sichtbarkeit verdient. Es ist 
staatliche Aufgabe, dies und die adäquate Versorgung sicherzustellen.

Hintergrundinformationen

Mindestens 10% aller COVID-19-Erkrankten leiden an diversen anhaltenden oder neu auftretenden gesundheitlichen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion, die länger als drei Monate anhalten. Auch nach asymptomatischen, milden und moderaten Infektionen wird bei statistisch als genesen bezeichneten Personen die Diagnose Long COVID bzw. Post-COVID-Syndrom gestellt. Laut der klinischen Falldefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) handelt es sich dabei um ein Vielzahl an Symptomen, die unterschiedliche Organe betreffen können.
Neben den drei Hauptsymptomen – postvirale Fatigue (unter anderem krankhafte Erschöpfung), Atemnot und neurokognitive Störungen (Konzentrations-, Wortfindungs-, und Gedächtnisstörungen) – handelt es sich der WHO-Definition nach bei Long COVID vor allem auch um einen Krankheitszustand, der von ausgeprägter physischer und kognitiver Belastungsintoleranz (sogenannte Post-Exertionelle Malaise) gekennzeichnet ist. Menschen die unter Long COVID leiden sind oft nicht mehr in der Lage in gewohntem Umfang ihren Berufs- und Alltagstätigkeiten nachzugehen, ohne das sich ihr Gesundheitszustand dadurch langfristig verschlechtert. Laut einer ersten Studie sind 45% der Long COVID-Erkrankten nach über 6 Monaten nicht in der Lage Vollzeit zu arbeiten, 20% sind arbeitsunfähig. 80% der Betroffenen, die nach 6 Monaten noch Beschwerden haben, leiden auch nach mehr als einem Jahr an Symptomen. Auch Kinder undJugendliche sind von Long COVID betroffen.
Eine erste Studie hat mehr als 200 mögliche Long COVID-Symptome erfasst. Bisher sind die Ursachen für diese Beschwerden nicht ausreichend erforscht. Daher gibt es aktuell keine anerkannten und wirksamen Therapiemöglichkeiten, welche die zugrunde liegenden Erkrankungen heilen. Long COVID-Betroffene sind somit chronisch erkrankt ohne das sie derzeit gezielt behandelt werden können. Rehabilitationsmaßnahmen können lediglich dem Krankheitsmanagement, nicht aber der Heilung der ursächlichen Krankheitsmechanismen dienen.
Quelle: https://longcoviddeutschland.org

Aktuell wird davon ausgegangen, dass etwa 1-2% aller SARS-CoV-2-Infizierten eine schwere Form von Long COVID entwickeln, bei der nach mindestens 6 Monaten die Diagnosekriterien für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erfüllt werden. Bis Ende 2021 waren in Deutschland bereits rund 500.000, vor allem junge Menschen von dieser schweren Erkrankung betroffen. ME/CFS geht oft mit einer ausgeprägten körperlichen Behinderung einher.
Quelle: https://longcoviddeutschland.org
ME/CFS ist eine schwerwiegende, meist eine lebenslang andauernde neuroimmunologische Erkrankung mitunter schwerster körperlicher Beeinträchtigung. Verschiedene Erreger sind mittlerweile als Auslöser bekannt, darunter Herpesviren wie das Epstein-Barr-Virus, Dengue- oder Influenza-Viren. ME/CFS wurde bereits 1969 durch die Weltgesundheitsorganisation als neurologische Krankheit eingestuft.
In Deutschland sind bereits vor der Pandemie schätzungsweise 300.000 Menschen an Myalgischer Enzephalomyelitis (ME) und dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) erkrankt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche. Die Erkrankungsrate bei vorangegangener Covid-19 Infektion hat sich etwa verdreifacht.
Charakteristisch für ME/CFS ist eine ausgeprägte Belastungsintoleranz. Meist zeitverzögert nach einer oft nur leichten Anstrengung, zeigt sich eine Symptomverschlechterung, die sogenannte Post-Exertionelle Malaise (PEM). Die namensgebende Fatigue geht oft mit muskulärer Schwäche einher und beeinträchtigt den Alltag und bessert sich kaum durch Ausruhen. Schmerzen sind variabel ausgeprägt mit Muskel-, Kopf- sowie Gelenkschmerzen.
Quelle: https://www.mecfs.de

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat die Landesregierung damit beauftragt, einen Bericht über die aktuelle Versorgungssituation in Schleswig-Holstein zu erstellen. Der Bericht ist hier abrufbar.

Weitere Informationen zu dem Thema finden sich unter folgenden Links:
https://nichtgenesen.org
https://cfc.charite.de
https://www.uksh.de/kinderpneumologie/Schwerpunkte+_+Untersuchungen/Long+Covid+Tagesklinik.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Ge-sundheit/Berichte/ME-CFS-aktueller-Kenntnisstand_Abschlussbericht_V1-0.pdf


Long-Covid Richtlinie des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss): https://www.g-ba.de/richtlinien/141/