Pflege

Pflegende Angehörige müssen Kraft schöpfen können

TOP 23+33 – Pflegebegutachtung weiterentwickeln und digitaler gestalten

Dazu sagt die Abgeordnete der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

niemand will zum Pflegefall werden und anderen zur Last fallen. Nicht den Angehörigen, nicht Freund*innen – auch nicht finanziell. 

2017 bezogen in Schleswig-Holstein 109.200 Personen Leistungen der Pflegeversicherung. 67 Prozent der Pflegebedürftigen wurden zu Hause gepflegt. Das ist eine große Zahl und dahinter steckt eine große Verantwortung. Eine immense Belastung liegt auf den Schultern von Familie, Angehörigen und Freund*innen.

Umso wichtiger ist die Entlastung der Angehörigen durch professionelle Angebote. Hierbei spielen Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege und die „Verhinderungspflege“ eine zentrale Rolle. Sie sind notwendig, damit die Angehörigen wieder Kraft schöpfen können. Es ist unverzichtbar, dass Menschen, die familiär und ehrenamtlich pflegen, auch eine Auszeit bekommen. 

Ohne Entlastung können pflegende Angehörige ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nicht dauerhaft gerecht werden. Gleichermaßen wichtig ist die Kurzzeitpflege am Übergang zwischen Krankenhaus und eigener Wohnung. Viele Menschen kommen nach einer OP nicht gleich allein zurecht. 

Wenn Hilfe durch Familie und Freund*innen nicht möglich ist, ist oftmals eine Kurzzeitpflege erforderlich und das zeitnah und möglichst vor Ort. Sinnvoll ist es, dieses Angebot in direkter Nähe oder eben direkt am Krankenhaus vorzuhalten. Denn „eingestreute Betten“ in stationären Altenpflegeeinrichtungen sind nicht immer eine geeignete Lösung. Aber sie bestimmen bislang die Realität.

Leider gibt es zu wenig Kurzzeitpflegeplätze – bundesweit und in Schleswig-Holstein. Aktuell stehen bei uns rund 1.600 eingestreute Kurzzeitpflegeplätze in vollstationären Pflegeeinrichtungen zur Verfügung. Aber dieses Angebot reicht nicht aus. Viel zu oft kommt es zu Engpässen. Die vorhandenen Plätze werden häufig als Vorstufe zur Aufnahme in ein Heim genutzt.

In der teilstationären Pflege sind in den vergangenen Jahren die Platzzahlen kontinuierlich gestiegen: von 2.200 im Jahr 2018 auf 3.180 in diesem Jahr. Das ist gut, denn auch das entlastet pflegende Angehörige. Aber es ersetzt die fehlenden Kurzzeitpflegeplätze eben nicht.

Um die pflegerische Infrastruktur weiter zu verbessern und eine Erhöhung der Kurzzeitpflegeplätzen zu erreichen, hat die Landesregierung bereits in der Jamaika-Koalition ein Förderprogramm aufgelegt. Seit 2021 stehen über eine Laufzeit von fünf Jahren zehn Millionen Euro an Landesmitteln aus dem „IMPULS-Programm“ zur Verfügung.

Leider werden diese Mittel bisher nicht genutzt. Anträge sind bislang nicht eingegangen. Das Problem ist nicht das bestehende Förderprogramm, sondern sind die engen Vorgaben des Sozialgesetzbücher V und XI. Sie erschweren den wirtschaftlichen Betrieb solitärer Kurzzeitpflegeinrichtungen. Die potenziellen Antragsteller*innen scheuen das wirtschaftliche Risiko. Eine auskömmliche und nachhaltige Refinanzierung von Kurzzeitpflegeplätzen ist bundesgesetzlich nicht ausreichend gewährleistet. 

Es ist Fakt, auch wenn Sie es nicht gerne hören: Die grundlegenden Verbesserungen müssen bundesgesetzlich verankert werden! Schleswig-Holstein setzt sich auf Bundesebene für nachhaltig verbesserte Rahmenbedingungen für die Kurzzeitpflege ein. Das haben wir in der Jamaika-Koalition getan und das machen wir auch in dieser Legislaturperiode. Wir bohren das Brett, bis wir durch sind.

Auf der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister*innen konnte eine Einigung für eine grundsätzliche Neustrukturierung der Kurzzeitpflege und ihrer Finanzierungsgrundlagen erzielt werden. Schleswig-Holstein wird sich aktiv im Rahmen der Bund-Länder-AG beteiligen. Leider ist das ein fortwährender Prozess und funktioniert nicht von heute auf morgen.

Zusätzlich wird das Land seine eigenen Bestrebungen für den Ausbau und die Vorhaltung eines bedarfsgerechten Kurzzeitpflegeangebotes weiterführen und intensivieren. Was wir im Land tun können, das muss getan werden. Und genau das möchten wir mit den pflegenden Angehörigen und Expert*innen im Fachausschuss besprechen. Ich schlage deshalb die Überweisung in den Sozialausschuss vor. 

Auf das zweite Thema in dieser verbundenen Debatte, den Koalitionsantrag zur Pflegebegutachtung, bin ich bisher nicht eingegangen, denn ich gehe davon aus, dass wir hierzu einer Meinung sind. Die durch Corona verstärkt erprobte Begutachtung im Telefoninterview und per Video sollte auch in Zukunft möglich bleiben. Da wo es sinnvoll ist und wenn die Antragsteller*innen damit einverstanden sind.

Ich würde mich freuen, wen Sie unserem Antrag zustimmen. 

Herzlichen Dank!