Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 24 – Mündlicher Bericht der Landesregierung zur dauerhaften Sicherung und Weiterentwicklung der akut-stationären Versorgung in Schleswig-Holstein
Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
dass wir heute an dieser Stelle erneut über unsere Krankenhauslandschaft sprechen, ist gut und richtig. Denn über die Versäumnisse der letzten Jahre ist unser Krankenhaussystem mit Ansage selbst zum Patienten geworden.
Die Kliniken leiden sehr stark unter einem Mangel an Fachkräften. Zudem stehen ökonomische Zwänge allzu oft in Konkurrenz zu pflegerischen oder medizinischen Leistungen, was letztlich die Qualität der Versorgung gefährdet. Diese Zwänge haben sich leider in Folge der Corona-Pandemie, des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins auf die Ukraine und die daraus folgenden steigenden Energie- und Baukosten und zuletzt auch durch die Tarifsteigerungen nur noch verstärkt. Durch unser aktuelles, sehr starres Vergütungssystem werden diese Zwänge mit jedem Tag noch größer.
Die Krankenhausstrukturreform ist daher zweifellos das wichtigste gesundheitspolitische Projekt der Ampel und damit ist berechtigterweise ein hoher Anspruch, aber auch viel Hoffnung verbunden.
Es ist deshalb ein gutes Zeichen, dass sich an diesem System nun einiges ändern wird. Die Hoffnung auf die rettende Strukturreform – sie ist am Montag etwas realer geworden. Denn Bund und Länder haben dazu ein Eckpunktepapier aufgesetzt, das sich in Bezug auf die Reform ab 2025 echt sehen lassen kann.
Endlich ändert sich etwas am starren Vergütungssystem, wir erhalten eine sinnvolle Vorhaltevergütung, sodass der Anreiz zum mengeninduzierten Wirtschaften verringert wird. Dies wird insbesondere für kleinere und bedarfsgerechte Krankenhausstandorte in der Grund- und Regelversorgung wichtig sein und zeigt eine verlässliche Perspektive ab 2025 auf.
Ebenfalls positiv ist die zentrale Steuerung über Leistungsgruppen, die vor allem Übersicht und Transparenz schaffen wird. Außerdem gibt das dem Bund einen Anhaltspunkt für die Vergütung auf der einen und den Ländern für die Krankenhausplanung auf der anderen Seite.
Deshalb ist es auch genau richtig, dass wir in Schleswig-Holstein schon jetzt, noch vor dem Beschluss des endgültigen Gesetzes, in die Vorbereitungen der Neuaufsetzung unseres eigenen Landeskrankenhausplanes 2024 und der durch die Bundesreform notwendig werdenden Änderungen unseres Landeskrankenhausgesetzes gehen. In diesen gesamten Prozess hineinfließen werden die Erkenntnisse aus dem Qualitätszirkel Geburtshilfe und in dem Zusammenhang der Bedarfsanalyse von CuraCon, der Erarbeitung des Zielbilds Gesundheitsversorgung 2030 mit allen relevanten Akteur*innen des Gesundheitswesens auf Landesebene, dem aufgesetzten Pakt für die Gesundheits- und Pflegefachberufe und der bereits ausgeschriebenen Versorgungsanalyse.
Liebe Kolleg*innen, das wird zwar eine Herausforderung, insbesondere für die Mitarbeiter*innen, sie ist aber absolut notwendig und deshalb ist es auch genau richtig, dass die Landesregierung diese konkreten Schritte geht.
Fachlich könnten wir alle jetzt sicherlich noch eine ganze Weile hier über die einzelnen Punkte des Papiers sprechen, ich möchte das an dieser Stelle aber kurz halten. Besonders interessant wird meiner Meinung nach der Zuordnungsmechanismus der einzelnen Fälle, die aktuell in den Fallpauschalen aufgeschlüsselt sind, die auf die einzelnen Leistungsgruppen aufgeteilt werden. Dazu wird über die Sommerpause noch einiges zu tun sein.
Auch bin ich sehr gespannt auf die Vergütungsmechanik der Level 1-Kliniken, die nämlich ein wirklich toller Ansatz für sektorübergreifende Angebote sind, idealerweise auch samt Öffnung der Primärversorgung und damit gerade für ländliche Regionen wirklich Potential haben. Außerdem ist klar erkennbar, dass die Zukunft des Gesundheitssystems zwar weiterhin nach dem Grundsatz ambulant vor stationär laufen wird, nun jedoch erweitert um den Zusatz digital vor ambulant vor stationär. Dies ist vor allem für Schleswig-Holstein von Relevanz, denn hier passiert im Bereich der Telemedizin auch über den Versorgungssicherungsfonds schon sehr viel.
Vielmehr möchte ich dazu aber auch gar nicht sagen, sondern sehr gerne den Passus des Berichtsantrags aufgreifen, in dem von der „Vorbereitung zur akzeptanzbildenden Kommunikation“ in den Regionen Schleswig-Holsteins die Rede ist. Es hilft nämlich wirklich gar nicht, wenn wir zwar ein fachlich einwandfreies Ergebnis haben, es aber den Menschen vor Ort nicht vermitteln können oder sie dabei nicht einbinden.
Und es ärgert mich deshalb wirklich besonders, wenn jetzt am Montag nach Beschluss des Eckpunktepapiers von einer Revolution in der Krankenhauslandschaft, dem rettenden Anker gerade für ländliche und kleinere Kliniken, gesprochen wird, es aber dann genau diese kleinen, meist gemeinwohlorientierte oder kommunale Kliniken, die den Menschen vor Ort aufgrund der wohnortnahen Erreichbarkeit verständlicherweise besonders wichtig sind, die schon jetzt seit Monaten rote Zahlen schreiben und mit ganz klarer Ansage in der nächsten Zeit und spätestens im nächsten Jahr in Liquiditätsengpässe laufen, dass es dann genau diese Kliniken sein werden, die im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich werden schließen müssen.
Das, liebe Kolleg*innen, wird den Menschen nicht vermittelbar sein, denn es zerstört direkt die Hoffnung, die den Menschen durch das ganze Gerede um das beschlossene Eckpunktepapier gemacht wird. Und deshalb wäre es wichtig gewesen, bereits jetzt schon im Eckpunktepapier eine klare Linie für die Liquiditätssicherung der Krankenhäuser bis zum endgültigen Greifen der Krankenhausreform zu haben. Und da bin ich der Ministerin auch wirklich dankbar, dass sie diesen Punkt nicht erst seit Montag sehr klar und im Sinne eines Erwartungsmanagements so deutlich kommuniziert.
Lauterbach selbst hat vor einigen Wochen noch am 15.06. gesagt, er rechne damit, dass 25 Prozent der Kliniken in Deutschland insolvent gehen würden, und dass man nicht alle wird retten können. Daran hat sich durch den Beschluss des Eckpunktepapiers nichts, aber auch gar nichts geändert. Und dieser Herausforderung insbesondere des Kalenderjahres 2024 müssen sich Bund und Länder nun weiterhin stellen. Und bis dahin brauchen wir vor allem Transparenz und Ehrlichkeit.
Denn es stimmt nun mal einfach nicht, dass durch den Beschluss des Eckpunktepapiers oder selbst beim Greifen der Reform alle Probleme der Krankenhäuser und darüber hinaus auch noch kostenneutral gelöst würden. Im Gegenteil, es werden massive Investitionen auf die Länder zukommen und im Eckpunktepapier steht an deutlich mehr als einer Stelle, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen weiteres Geld zur Verfügung stellen sollen und auch hier wieder: klare Kommunikation, das Geld wird von den Beitragszahler*innen kommen müssen.
Genauso wenig stimmt es aber natürlich auch, dass mit der Reform ein aus Berlin gewollt und unkontrolliert gesteuerter Kahlschlag in der Krankenhausstruktur herbeigeführt wird. Diese Mär wird insbesondere von der CSU im Landtagswahlkampf propagiert, sie inszeniert sich aktuell als einziger Anwalt der kleinen Kliniken und schürt damit Ängste und streut Fehlinformationen, die wir uns bei so einem sensiblen Thema wie der Daseinsvorsorge einfach nicht leisten können.
Jetzt ist es wichtig, dass wir hier im Land unseren klaren Fahrplan durchführen und uns auf Ebene der Bund-Länder Runden weiterhin konstruktiv einbringen werden. Und dabei sollten wir nicht populistisch oder aus parteitaktischen Gründen, sondern pragmatisch und ehrlich debattieren und auch kommunizieren. In diesem Sinne bedanke ich mich herzlich für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank.