Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 19 – Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen bei Eigenanteilen entlasten
Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
ich glaube, es besteht überhaupt kein Dissens darin, dass die Eigenanteile in der stationären Langzeitpflege zu hoch sind. Ebenso gibt es keinen Dissens darin, dass wir eine wirklich umfassende Reform unserer Pflegeversicherung brauchen. Auch wird jede und jeder der hier Anwesenden zustimmen, dass gerade auch die Leistungserbringer, wie unter anderem ambulante Pflegedienste und Langzeitpflegeeinrichtungen, vor enormen Herausforderungen stehen. Leiharbeit, höhere Fahrt- und Energiekosten, steigende Vorschriften aber auch politisch angestoßene Vorhaben wie die Digitalisierung haben ja schließlich erhebliche Folgen für die finanzielle Situation, ohne immer einen direkt spürbaren Mehrwert für die zu Pflegenden oder das Personal haben zu müssen.
Worin wir allerdings eventuell einen Dissens haben, ist was die finanziellen Spielräume des Landes angeht. Wir haben nach der Mai Steuerschätzung ein Defizit von einigen hundert Millionen Euro im Landeshaushalt, das ja nicht einfach so verschwindet, erhöhte Kosten bei gleichbleibender Leistung durch die Tariferhöhungen und ohnehin schon einen Stau an Investitionskosten im Krankenhausbereich, der durch die anstehende Krankenhausstrukturreform auch nicht geringer wird.
Auch entlasten wir als Land schon über das Pflegewohngeld konkret bei den Eigenanteilen, es gehört aber eben auch zur Ehrlichkeit dazu zu sagen, dass es aktuell – und außerhalb des laufenden Haushaltsverfahrens – nicht einfach so möglich ist, weitere Entlastungen durch die komplette Übernahme der Investitionskosten zu beschließen, die das Land strukturell weit über 100 Millionen Euro pro Jahr mehr kosten würde. Aber genauso gehört selbstverständlich zur Ehrlichkeit auch dazu, dass wir als Land – und das haben wir an dieser Stelle bereits vor einem Jahr debattiert – ja bereit sind, uns den möglichen Aufgaben durch eine notwendige Pflegereform zu stellen und diese mitzugestalten.
Und genau deshalb hat sich die Sozialministerin ja auch über die Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz mit eigenen Anträgen eingebracht, die von fast allen anderen Ländern mitgetragen wurden. Darauf hat die Bundesregierung dann ja auch richtigerweise reagiert. Doch viele der Forderungen aus Schleswig-Holstein, Hessen oder Niedersachsen wurden im Pflegeunterstützungsentlastungsgesetz zum 01.07.2023 leider nicht ausreichend berücksichtigt.
Insbesondere die so wichtige wie auch immer geartete Deckelung der Eigenanteile oder die Erhöhung gerade der stationären Leistungsbeiträge wurden nicht umgesetzt. Auch Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger, die, wenn sie spürbare Verbesserungen nach sich ziehen, ja automatisch dazu führen, dass Menschen vermehrt in der Häuslichkeit und weniger im stationären Langzeitpflegebereich gepflegt würden, müssen konkreter ausdiskutiert werden.
Deshalb ist es auch genau richtig, dass Karl Lauterbach für Mai 2024 Vorschläge dazu unterbreiten und diese mit den Ländern diskutieren wird. Zwar ist die komplette Streichung des Bundeszuschusses zur Sozialen Pflegeversicherung im aktuellen Bundeshaushalt auf dem Weg dahin wirklich kein gutes Omen. Aber ich denke, dass allen klar ist, dass es aufgrund der ja wirklich drastischen Situation mit immer steigenden Eigenanteilen, einer mangelhaften Vergütung für Pflegeleistungen, dem demographischen Wandel und ungenügender Unterstützung pflegender Angehöriger einfach notwendig ist, dass die Pflegereform 2024, neben der Krankenhausstrukturreform, im Bundesministerium für Gesundheit zu einem der wichtigsten Projekte dieser Legislatur wird.
Und natürlich wird das nicht einfach werden. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Losse Müller, hat gestern in seiner Rede auf die „Demographische Krise“ hingewiesen. Denn wir werden, wie auch in anderen Bereichen, dafür Lösungen finden müssen, die mit der Problematik umgehen, dass es absehbar immer weniger Beitragszahler*innen aber immer mehr Leistungsempfänger*innen geben wird. Gleichzeitig muss mehr echte Wertschätzung für die Arbeit pflegender Angehöriger und dem Personal in der ambulanten und Langzeitpflege geschaffen werden, zum Beispiel durch eine verlässliche dynamisierte Angleichung von Leistungsbeiträgen an die Preisentwicklung und damit an die realen Lebenskosten der Menschen.
Ich bin mir sicher, dass sich die Landesregierung an diesem Vorgang sehr konstruktiv beteiligen wird und freue mich auch auf die sachorientierten Debatten hier im Plenum zum Beispiel zu unserem eigenen Landespflegegesetz.
Liebe Kolleg*innen, Menschen, die beispielsweise ihr Leben lang gearbeitet haben – im Beruf, in der Familie, im Ehrenamt – verdienen im Alter Wertschätzung, Respekt, verlässliche Strukturen und eine Pflege ohne Armutsrisiko.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!