Schleswig-Holstein braucht eine Clearingstelle

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 12 – Menschenrecht auf Gesundheit für alle umsetzen – Menschen ohne Papiere gesundheitlich versorgen!

Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,Jasper Balke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin dem SSW sehr dankbar für diesen Antrag. Er greift nämlich ein Thema auf, dass in den Debatten leider zu häufig untergeht und das auch deshalb, weil es sich bei der medizinischen Versorgung von Menschen ohne Papiere in Deutschland um einen Zustand handelt, der in den aller meisten Fällen unentdeckt bleibt.

In einem so reichen Land mit Krankenversicherungspflicht und einem der teuersten Gesundheitssysteme der Welt wird häufig übersehen, dass es Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen gibt, die sich buchstäblich außerhalb des Systems befinden. Und die Ursachen dafür sind durchaus vielfältig. Sei es zum Beispiel durch einen Schicksalsschlag, der zum Wohnsitzverlust führt oder andere Gründe, die Menschen unter das Radar unserer Sozialsysteme bewegen. Oder bei bislang Selbstständigen, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen können, weil das eigene Unternehmen einfach nicht mehr so läuft wie gedacht, bei Zahlungsunfähigkeit durch ein verlängertes Studium oder eben bei Geflüchteten, beziehungsweise Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus.

Gerade Menschen ohne Krankenversicherung mit chronischen Erkrankungen oder akuten gesundheitlichen Problemen, die sich aus Angst bisher nicht bei offiziellen Stellen gemeldet haben, ist deshalb ein Leben in Würde und Sicherheit nicht gegeben. Und gerade, weil es sich dabei um einen untragbaren Zustand handelt, haben wir uns richtigerweise im Koalitionsvertrag bereits darauf verständigt, eine Clearingstelle nach dem Hamburger Modell auch in Schleswig-Holstein einzurichten und damit eben genau für diese Menschen eine Anlaufstelle und Hilfestruktur zu schaffen. Bisher gibt es solche Clearingstellen bereits in zehn von 16 Bundesländern und ich finde, es wird höchste Zeit, dass auch Schleswig-Holstein hier nachzieht.

Denn bislang wenden sich Menschen ohne Krankenversicherungen an die MediBüros in Kiel und Lübeck, die einen wirklich hervorragenden Job machen, diesen aber ausschließlich ehrenamtlich durchführen. Diese vermitteln dann die betroffenen Personen an Arztpraxen oder die richtigen medizinischen Hilfsangebote, die dann wiederum für ihre Leistungen aus Mitteln entschädigt werden, die den MediBüros von der Stadt Kiel, beziehungsweise der Hansestadt Lübeck zur Verfügung gestellt werden.

Diese Arbeit ist enorm wichtig, weil sie eine Lücke schließt, die staatlich bei uns in Schleswig-Holstein bislang noch offen ist. Jedoch ist die Arbeit für die Ehrenamtlichen oft sehr mühsam, insbesondere was die Integration der Betroffenen ins Regelsystem angeht. Dafür gibt es sehr hohe Hürden, weshalb die MediBüros seit Jahren schon die Forderung aufstellen, dass diese Arbeit durch eine Clearingstelle übernommen wird.

Denn neben den akuten gesundheitlichen Problemen, die vielleicht in Einzelfällen kurzfristig gelöst werden können, muss das langfristige Ziel stets die Integration der Menschen zurück ins Regelsystem sein und genau deshalb ist es angebracht, diese nicht länger auf den Schultern der Ehrenamtlichen abzuladen, sondern von einer professionellen Stelle mit dem entsprechenden Fachpersonal durchführen zu lassen. Bei diesen Clearingstellen gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Modelle. Thüringen und Sachsen arbeiten zum Beispiel mit anonymen Behandlungsscheinen. Andere Clearingstellen arbeiten eng mit den MediBüros zusammen, die dann allerdings eben nicht mehr die aufwendige Arbeit des Versuchs zur Wiedereingliederung in das System haben.

Ich finde es deshalb absolut richtig, den Ball des SSW aufzunehmen und die Landesregierung darum zu bitten, die Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die es für ein wie auch immer geartetes Modell einer Clearingstelle in Schleswig-Holstein braucht. Besonders wichtig ist mir dabei, das Know-How der bereits bestehenden Strukturen in dem Bereich zu nutzen, besonders natürlich auch das der Ehrenamtlichen der MediBüros, von denen ich auch einige persönlich kenne und denen ich an dieser Stelle auch meinen ganz herzlichen Dank für ihre bisherige Arbeit ausrichten möchte.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, wie wichtig uns die Erarbeitung eines Modells ist, das auf Schleswig-Holstein angepasst ist, denn ein Flächenland wie das unsere hat einfach andere Herausforderungen als ein Stadtstaat wie Hamburg. Deshalb müssen wir bestehende Modelle immer auch an unsere Größe und längere Fahrtzeiten anpassen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ergebnisse der Landesregierung und eine intensive parlamentarische Beteiligung am Aufbau der Clearingstelle für eine medizinische Versorgung für alle Menschen im Land und danke für die Aufmerksamkeit!