Erste Rede im Plenum

Der Mensch, das Individuum und die Gesundheit als solche sollten im Mittelpunkt stehen

Foto: Grüne Landtagsfraktion

TOP 45 – Fortlaufenden Ankauf von Praxen und Medizinischen Versorgungszentren stoppen

Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, 

liebe Kolleg*innen,

unser Gesundheitssystem befindet sich in vielerlei Hinsicht im Wandel. Um nur ein Beispiel herauszustellen: immer weniger ausgebildete Ärzt*innen sind länger bereit, hohe Wochenarbeitsstunden, eine enorme Verantwortung und die leider immer noch viel zu bürokratischen Erfordernisse weiter zu leisten. Dort braucht es politisch angepasste, flexible Rahmenbedingungen und kluge Konzepte, um die Gesundheitsversorgung langfristig sicherzustellen.

Doch wenn wir uns den Trend im ambulanten Bereich ansehen, dann fällt auf, dass dort zwar immer mehr Kapital ins System fließt, jedoch – und das ist das Problem – nicht etwa, um primär neue Versorgungsstrukturen zu schaffen, Versorgungslücken zu schließen oder gar eine bessere Behandlungsqualität zu schaffen, nein. Sondern teilweise allein zu dem Zwecke, Profite zu erwirtschaften und hohe Renditen an einige Wenige auszuschütten.

Diesen Mechanismus, also den Aufkauf von Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren, erleben wir dabei vor allem in ausgewählten Versorgungszweigen, besonders betroffen ist beispielsweise die Augenmedizin.

Da werden dann vermehrt individuelle Gesundheitsleistungen (sog. IGeL) beworben, die eine höhere Vergütung, verbunden mit hohen Eigenanteilen der Patient*innen bedeuten. Außerdem verdrängen dann wirtschaftlich lukrative Leistungen die weniger gut vergüteten, meist konservativen Leistungen, wodurch die Versorgungsqualität und das Patient*innenwohl langfristig gefährdet sind.

Wir sind deshalb klar in der Verantwortung, solchen Vorgängen einen Riegel vorzuschieben. Es braucht Transparenz, es braucht klare gesetzliche Regelungen der Bundesebene, und diese fordern wir als Koalition heute ein, diese müssen so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Aber, liebe Kolleg*innen, wenn wir mal ehrlich sind, dann folgt der ambulante Bereich damit ja nur den Entwicklungen, die wir gerade nach Einführung der DRGs, der sogenannten Fallpauschalen, im stationären Sektor längst kennen. Ich denke da an Zielvereinbarungen in Richtung 100 Kniegelenks oder Hüft-Ops pro Jahr, Upcoding, die Entlassung von Personal zur Reduktion laufender Kosten oder die Konzentrierung des Leistungsangebots auf wenige Bereiche und lukrative Behandlungen.

Dies führt immer häufiger dazu, dass qualifiziertes Fachpersonal den Beruf aufgibt, weil der Anspruch an die eigene Arbeit eben nicht länger mit den auf Gewinnmaximierung beruhenden Interessen der Geschäftsführung übereinstimmt. Eine Entwicklung also, die auch ein Grund für den ohnehin schon bestehenden Fachkräftemangel ist.

Doch, liebe Kolleg*innen, auch hier muss man differenzieren. Natürlich braucht es zielgerichtete Investitionen, Kapital, das zum Beispiel die Forschung oder Medikamentenentwicklung fördert. Denn es ist doch klar, dass Spitzenmedizin Geld kostet. Und es ist auch klar, dass nicht unendlich Geld im System ist, und dass deshalb auch nicht jeder mögliche Eingriff durchgeführt werden kann.

Ich spreche deshalb auch nicht von dem kommunal getragenen Krankenhaus, das wirtschaftlich arbeiten muss, um die Betriebskosten zu decken und eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu können. Ich spreche auch nicht von der freiberuflichen Ärztin, die nach langer Ausbildung mit ihrer Arbeit gut verdienen möchte.

Sondern ich spreche von den Großkonzernen, die die Systematik unseres Vergütungssystems im ambulanten wie stationären Bereich genau kennen und zum Zwecke der maximalen Rendite-Ausschüttung Leistungen entweder kürzen oder anpreisen und somit den wichtigsten Grundsatz unseres Gesundheitssystems eigentlich infrage stellen: Der Mensch, das Individuum und seine Gesundheit sollten im Mittelpunkt stehen.

Dort, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo solche Systematiken weiterhin toleriert werden, da ist unsere Gesundheitsversorgung, wie wir sie uns vorstellen, langfristig gefährdet und das kann deshalb nicht länger unser Anspruch sein.

Unser Antrag setzt daher genau dort an und bewertet diese Entwicklungen für den ambulanten Bereich als kritisch. Kritisch für die Versorgung, kritisch für die Menschen. Ich bedanke mich daher bei der Landesregierung, dass sie diesbezüglich schon tätig geworden ist, und würde mich freuen, wenn wir hier als Parlament auch ein klares Zeichen setzen würden und bitte Sie darum, unserem Antrag heute zuzustimmen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.